Lange Zeit konnte nicht nachvollzogen werden, welche Zeichnungen des heutigen Museumsbestands ursprünglich aus der Sammlung von Johann Friedrich Städel (1728–1816) stammen. Zur damaligen Zeit wurde kein vollständiges Verzeichnis angelegt und eine Vielzahl von Zeichnungen wurde im Zuge einer Neuordnung der Sammlung in den 1860er-Jahren aussortiert und verkauft. Nun war es dem Städel nach mehrjährigen Forschungen gelungen, die Zeichnungssammlung des Stifters erstmals weitgehend zu rekonstruieren und rund 3.000 Werke zu identifizieren, die bis heute im Museum erhalten sind.
Das Städel präsentierte eine Auswahl von 95 Meisterzeichnungen, die einen exemplarischen Eindruck vom Zuschnitt, der Ordnung und der künstlerischen Bedeutung der einstigen Zeichnungssammlung von Johann Friedrich Städel vermittelten. Herausragende Arbeiten von Raffael, Correggio und Primaticcio, Watteau, Boucher und Fragonard, Dürer, Roos und Reinhart sowie Goltzius, Rembrandt und De Wit wurden in der Sammlungstradition des Stifters nach „europäischen Schulen“ geordnet gezeigt und in einem die Ausstellung begleitenden Katalog ausführlich besprochen. Ein Teil dieser Zeichnungen waren in der Forschung bereits bekannt, andere wurden zum ersten Mal veröffentlicht.
Die Rekonstruktion der Zeichnungssammlung Johann Friedrich Städels gab Einblicke in die Sammeltätigkeit und die Konzeptionsgedanken des Stifters sowie in das Sammeln von Zeichnungen im 18. Jahrhundert im Allgemeinen. Die Handelswege, über die die Blätter aus den großen europäischen Kunsthandelszentren Paris, Amsterdam und London nach Frankfurt gelangten, wurden ebenso deutlich wie der kunsthistorische, enzyklopädische Anspruch seines Sammelns. Auch der Austausch, den die kunstinteressierten Bürger Frankfurts zur Zeit des Stifters untereinander pflegten, wurde in Teilen erkennbar. Die Ausstellung lieferte zudem wichtige Erkenntnisse über den Umgang mit der Sammlung des Städel Museums im 19. Jahrhundert und darüber, wie damals entschieden wurde, was „museumswürdig“ sei und was nicht.
Kurator: Dr. Joachim Jacoby
Gefördert durch
Stiftung Gabriele Busch-Hauck, Wolfgang Ratjen Stiftung, Tavolozza Foundation, Georg und Franziska Speyer’sche Hochschulstiftung