Die Moderne ist ohne den Beitrag von Künstlerinnen nicht zu denken. Neben bekannten Malerinnen und Bildhauerinnen wie Louise Breslau, Ottilie W. Roederstein und Marg Moll haben sich viele weitere erfolgreich im Kunstbetrieb der Zeit um 1900 behauptet. Sie heißen Erna Auerbach, Mathilde Battenberg, Ida Gerhardi, Annie Stebler-Hopf, Elizabeth Nourse oder Louise Schmidt. Von Paris und Frankfurt aus knüpften die Künstlerinnen internationale Netzwerke und unterstützten sich gegenseitig. Als einflussreiche Lehrerinnen und Kunstagentinnen prägten einige von ihnen auch die Geschichte des Städel Museums und der Städelschule. Das Städel Museum präsentierte rund 80 Gemälde und Skulpturen von insgesamt 26 Künstlerinnen. Zu sehen waren Kunstwerke aus renommierten US-amerikanischen und europäischen Museen sowie zahlreiche Arbeiten aus Privatbesitz, die zum ersten Mal gezeigt werden. Ergänzt werden sie durch bislang unveröffentlichtes Archivmaterial. Fotografien und Briefe erzählten von internationalen Ateliergemeinschaften, von der strategischen Bedeutung professioneller Künstlerinnenverbände, von Erfolgen, aber auch vom andauernden Streben um Anerkennung.
Die Ausstellung zeigte Künstlerinnen, die sich mit großer Eigenständigkeit und Professionalität in einem durch männliche „Künstlergenies“ bestimmten Kulturbetrieb durchsetzten. Unter dem Blickwinkel der Netzwerke entstand ein komplexes Bild der Ausbildungs- und Arbeitssituation von Künstlerinnen in der Moderne: vom Kampf der Wegbereiterinnen im Paris der 1880er-Jahre über die ersten Bildhauerinnen an der Kunstschule des Städel um 1900 bis hin zu einer jungen selbstbestimmten Generation von Künstlerinnen im Neuen Frankfurt der 1920er- und 1930er-Jahre. Die stilistisch sehr unterschiedlichen Arbeiten zeigten dabei die Vielfalt weiblicher Positionen in der Kunst auf und spiegelten die radikalen gesellschaftlichen und ästhetischen Umbrüche der Zeit. In ihren Werken setzten sich die Malerinnen und Bildhauerinnen mit ihrer eigenen Existenz als Künstlerinnen in einem männlich dominierten Umfeld auseinander. Sie zeigten sich selbstbewusst im Kreis ihrer Freundinnen und Mitstreiterinnen und stellten die überkommenen Geschlechterrollen infrage. Mit Darstellungen des menschlichen Aktes reklamierten sie einen zuvor den Männern vorbehaltenen Motivkomplex auch für sich. Dabei bedienten sie sich nicht nur der Malerei und Zeichnung, sondern eroberten zunehmend auch die Bildhauerei, die aufgrund der physischen Anstrengung sowie der technischen und materiellen Anforderungen als vermeintlich „männlichste“ Gattung der Kunst galt.
Kuratoren Städel Museum
Dr. Alexander Eiling (Sammlungsleiter Kunst der Moderne)
Eva-Maria Höllerer (Kuratorin, Sammlung Kunst der Moderne)
Aude-Line Schamschula (Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Sammlung Kunst der Moderne)
Historisches Archiv
Dr. Iris Schmeisser (Leiterin Provenienzforschung und historisches Archiv)
Die Ausstellung resultiert aus einem Forschungsprojekt, das an die Retrospektive zur Malerin Ottilie W. Roederstein (2022) anknüpft. Das seit 2019 im Städel Museum verwahrte Roederstein-Jughenn-Archiv gibt Einblick in ein Frauen-Netzwerk um die Malerin, das sich in Ausbildungs- und Ausstellungsfragen, aber auch durch praktische Hilfe gegenseitig unterstützte und förderte. Die privaten und beruflichen Verbindungen leisteten einen wesentlichen Beitrag zur Professionalisierung und Etablierung von Malerinnen und Bildhauerinnen im Kunstbetrieb des ausgehenden 19. sowie des frühen 20. Jahrhunderts.
Die wichtigsten Quellen aus dem Roederstein-Jughenn-Archiv des Städel Museums werden auch digital zugänglich gemacht.
Gefördert durch
Kulturfonds Frankfurt RheinMain gGmbH, Damengesellschaft des Städelschen Museums-Vereins e. V., Dr. Marschner Stiftung, Ernst von Siemens Kunststiftung, CATRICE
Medienpartner
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Kulturpartner
hr2 kultur